Politische Notwendigkeit
Die NATO ging seit ihrer Gründung 1949 immer davon aus, dass mit Angriffen aus dem Osten auf Westeuropa zu rechnen sei. Den vor allem quantitativ überlegenen konventionellen Armeen der Sowjetunion und ihrer Satellitenstaaten konnte die NATO in ihrer Gründungsphase, besonders vor Einbeziehung Westdeutschlands in das Verteidigungsbündnis, nur relativ schwache Kräfte entgegenstellen. Deshalb verfolgte man in den 1950er Jahren das Konzept der ‚Massiven Vergeltung‘: Auch konventionelle Angriffe auf das Territorium der NATO sollten umgehend mit einem massiven und umfassenden nuklearen Gegenschlag beantwortet werden. Diese Strategie basierte auf der seinerzeit gegebenen klaren Überlegenheit der USA und NATO bei den Kernwaffen und Trägermitteln.
Die Sowjetunion dagegen sah jeden denkbaren Krieg mit den Westmächten unter dem Aspekt des Gegensatzes der beiden konkurrierenden Systeme. Sie erwartete, dass die USA das sowjetische System in jedem Fall zu zerstören beabsichtigten. Daher begründete man die eigene Aufrüstung als Abwehrmaßnahme gegen jeden denkbaren Überraschungsangriff der NATO unter Führung der USA von Westeuropa aus.
Bereits in den 1950er Jahren hatten die USA damit begonnen, neben nuklearfähigen Luftstreitkräften atomare Artillerie- und Raketensysteme in Westeuropa aufzustellen. Der 1955 gegründete Warschauer Vertrag rüstete seine Truppen ebenfalls mit Atomwaffen aus. 1958 entschied die NATO, westeuropäische US-Atombasen in ihr Verteidigungskonzept einzubeziehen. Damit sollten diese direkt in die Verteidigung Westeuropas eingebunden bleiben, so dass ein Angriff auf NATO-Mitgliedsstaaten als Angriff auf die USA selbst gewertet werden müsste. Die Sowjetunion sollte nicht damit rechnen, einen Krieg auf Europa begrenzen zu können.
Im Verlauf der 1960er Jahre stellte die Sowjetunion nach einer starken Aufrüstung insbesondere ihrer interkontinentalen Trägersysteme ein annäherndes nuklearstrategisches Gleichgewicht her. Seitdem galt im Grunde das Denkmodell des Gleichgewichts des Schreckens.
Im Zusammenhang mit der sowjetischen Aufrüstung bei den strategischen Waffen seit Beginn der sechziger Jahre hatte man damit begonnen, über eine Anpassung der NATO-Strategie nachzudenken; seit 1967 galt die aus diesen Überlegungen hervorgegangene Strategie der 'Flexible Response' offiziell. Im Kern ging es dabei um die Kontrollierbarkeit atomarer Kriegführung. Dies trieb das weitere Wettrüsten − gerade im Bereich der sogenannten nuklearen Gefechtsfeldwaffen enorm voran. Diese Waffen sollten als nächste Eskalationsstufe in einem mutmaßlich konventionell begonnenen Krieg auf dem ‚Schlachtfeld‘ selbst und gegen das Hinterland eingesetzt werden.
Bei den Untersuchungen im Umfeld der Kernwaffen-Testexplosionen in den 1950er Jahren stellte man u.a. den Effekt fest, daß Troposphären-Verbindungen nach KW-Explosionen wegen ihrer spezieller Nutzeffekte besser funktionieren, als im Normalzustand der Atmosphäre. Zusätzlich sind TF-Verbindungen langreichweitiger als andere Verbindungsmittel und müssen in planbaren, recht konstanten, Abständen installiert sein. Die technische Entwicklung auch der zugehörigen modernsten Sende- und Empfangstechnik war nunmehr soweit fortgeschritten, daß beide Seiten jeweils ein Troposphären-Funksystem auch in Mitteleuropa zur Aufrechterhaltung der Führungs- und Reaktionsmöglichkeit der jeweiligen Armeen installierten.
Es sei bemerkt, daß mit dem Troposphären-Funksystem und seinen Bunkeranlagen an den Wahnsinn einer Aufrüstung erinnert wird, wie sie im Kalten Krieg auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs von den fortgeschrittensten Erkenntnissen von Wissenschaft und Technik getragen war.
Siehe auch » http://de.wikipedia.org/wiki/NATO-Doppelbeschluss
Frank Kammler