Kanalschnellschalteinrichtung FVS 4
22. März 2008
Nach langjähriger Instandsetzung im Bereich der Nachrichtentechnik ist es uns gelungen, ein weiteres technisches Detail den Gästen und dem Fachpublikum nahe der Funktion zu zeigen. Am 15. März wurde nach über 10 Jahren Stillstand Spannung an die Anlage gelegt und deren Funktion geprüft. Neben dem "Lampenkino" kam es auch auf den Arbeits- und Brandschutz an.
In den Vermittlungs- und Bedientischen war wahllos randaliert worden: Kabelbäume zerschnitten, Lampenstreifen herausgerissen und zertreten. Hier nochmals "danke" an die Besucher der 301 zwischen 1999 und 2001. In den Schaltfeldern waren zur Demilitarisierung alle Sicherungen und die wichtigsten Baugruppen, wie z.B. die Rufstromgeneratoren, entfernt worden. Dies geschah dem Anschein nach recht planvoll.
Daher waren diese Schäden, allerdings mit viel Fleiß, behebbar. Wir sind an der Materialsituation fast gescheitert. Denn in den Gestellen sind spezielle, mittlerweile recht rare Sicherungen eingesetzt. Diese werden nach ihrem Erfinder Wegmann-Sicherungen genannt. Diese sind ca. 5 mm lang, aus Glas und nur ca. 2 mm im Durchmesser. Zum Einsetzen und Entfernen dieser Sicherungen bedarf es eines speziellen Werkzeuges. Auch hier half uns der "Bruder" Zufall. Da einige Vereinsmitglieder durch ihren Arbeitgeber getrieben unterwegs sind, half mal ein "Tasse Kaffee"-Gespräch mit Kollegen. So nach dem Motto "Du horsche ma... Da gabs doch für die Wegmannsicherungen so ennn spezielles Dedeilsche...". Und dann kommt die erlösende Antwort. Ich glaube in XXX liegt so was herum. Ich schaue mal. Wenige Tage später der Anruf. Ich habe geschaut und in XXX liegen Sicherungen, Werkzeuge und anderer Schrott. Ich spreche mal mit meinem Chef.Bei dem nächsten, dann erlösenden, Anruf wurden die klaren Worte: "ihr könnt Euch den Schrott holen" gesprochen. Im ersten Anschein war es vom Volumen her nicht viel. "Gerade mal ein Kombi voll". Aber im elektrischen und Nachrichten-Bereich ist wenig manchmal viel. So war es auch.
Stolz, wie wir 301er nun mal sind, ging es mit dem vollen Kombi gen Wollenberg. Flugs ausgeladen und los ging das "fröhliche" Sicherungen-Einsetzen. Eine "Mörder"-Arbeit. Wenig Platz, trotz Zusatzscheinwerfer schlechtes Licht, alles im Stehen und dann die kleinen zerbrechlichen Teile. Torsten schlug sich prächtig.
Nach vielen Tagen Arbeit dann der vorläufige Höhepunkt: alles gemessen, Isolation geprüft, unklare Kabel isoliert, viel gelötet. Nun hieß es: Spannung ein! Peter schaltetet die 60 V zu. Einige Lampen leuchteten. In die erste Freude mischte sich ein Geruch nach warmen elektrischen Bauteilen. Die negativen Worte liefen durch den Raum "... ich glaube, hier schmort was..."
Die Fehlersuche begann und dann setzte das Erinnerungsvermögen wieder ein. Ein technisches Detail: Für die DDR-Transverter der Serien B 1653.XX wurde zur Aufladung der Eingangssiebkette zu den Sicherungen parallel eine Wiederstandkombination geschaltet. Diese hat den Ladestrom der Kondensatoren begrenzt. Darauf haben wir im ersten Moment nicht geachtet, dass diese sofort nach dem Einschalten unter Spannung stehen. Daher "verbrannten" sie den Jahre alten Staub und das roch. Also trauten wir uns noch mal, haben den fließen Strom im Auge behalten und nach einer halben Stunde stellte sich der Normalzustand ein.
Was wir leider feststellen mussten, ist die Tatsache, dass beide 25 Hz-Rufstromgeneratoren fehlen.
Wer kann uns helfen??????
Nun aber noch etwas zum technischen Hintergrund und der Aufgabe der FVS 4. Die Abkürzung bedeutet Fern-Vermittlungs-System 4.
Im Einzelnen: Vermittlungssysteme gab es auch in der DDR. Diese waren in der Regel mit zweidrähtiger Durchschaltung. Das heißt, eine verstärkte Leitung (Vierdrahtleitung VDr- Ltg.) musste erst in eine Zweidrahtleitung (ZwDr-Ltg.) durch diverse Umsetzer umgesetzt werden. Das kostete viel Material, Geld und verursachte auch zusätzliche Störungen. Um das Stütznachrichtennetz der DDR sicher zu gestalten, wurden Anfang der 70er Jahre die Schnellschalt-Einrichtungen erfunden. Die Grundidee war, wir setzen nicht auf die ZwDr- Ltg. um, sondern schalten die VDr-Ltg direkt. Mit dem Ergebnis, dass in allen Stütznachrichtenzentralen, nicht nur im System BARS, das System FVS 4 eingesetzt wurde und man in der Lage war, verstärkte Leitungen "automatisch, nach Programmen" umzuschalten.
Das hatte den Hintergrund, dass die Leitungen im Fernmeldenetz schnell und automatisch schaltbar waren. Teilnehmer von Schaltübungen berichteten, dass nach dem Umschalten im System ca. 90% der Leitungen sofort weiter, an den neuen Standorten, funktionierten. Und die anderen ca. 10% wurden "eingepegelt" und versahen nach kurzer Zeit ihre Aufgabe. Man muss klar sagen, die Triebfeder dieser Technik waren die Militärs, denn sie wurden in die Lage versetzt, je nach militärischer Lage, für die Führungsstäbe schnell die erforderlichen Fernmeldekapazitäten zur Verfügung zu stellen. Man war mit dem System auch in der Lage, bei großen Störungen ganze *Bündel ersatzzuschalten. Aber genug der fachlichen Details. Bei Fragen wenden Sie sich bitte an die Vereinsmitglieder und wir sind bemüht, Sie weiter zu informieren.
* Bündel - bezeichnet die Führung mehrerer Kabel auf zum Teil verschiedenen Trassen zwischen zwei Orten. D.h., von A nach B sind 120 Kabeladern geschaltet. Diese führen von A nach B über C, so ist das Bündel 1. Als Bündel 2 würde die Führung von A nach B über X bezeichnet werden.
Siehe auch: http://de.wikipedia.org/wiki/Kategorie:Nachrichtentechnik
Peter Hesse
Bunker Wollenberg